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Juden im Standesamtsregister Bublitz
Juden
Jüdische Väter im Bublitzer Standesamtsregister 1876-1914

Wenn wir in Pommern von Kirchenbüchern reden, sind die der evangelischen Kirche, genauer der evangelischen Landeskirche in Preußen gemeint. Sie dienten nicht allein kirchlichen Zwecken, sondern auch staatlichen, etwa zur Registrierung der Wehrpflichtigen, wozu sie in doppelter Ausführung zu erstellen waren. Der Staat verlangte von den Pastoren auch die Aufzeichnung der Geburten, Heiraten und Todesfälle anderer religiöser Bekenntnisse, womit diese sich aber verständlicherweise schwer taten.

In den Bublitzer Kirchenbüchern lassen sich einige Eintragungen von Irvingianer ab Mitte der 1850er Jahre finden. Juden aber kommen nicht vor, obwohl sie schon seit etwa 1720 in der Stadt anwesend waren[1].

Mit der Einführung der Standesämter im Deutschen Reich, ab 1. Oktober 1874 im Königreich Preußen, wurden alle Personen unabhängig von ihrer Religion erfaßt; die Religionszugehörigkeit - evangelisch, mosaisch, usw. - wurde eingetragen, aus Platzgründen aber nicht in die Datenbank der Kirchen- und Standesamtsregister aufgenommen.

Zur Abhilfe wurden alle jüdischen Väter - insgesamt 36 mit zusammen 115 Kindern in nebenstehender Tabelle aufgelistet. Gibt man den Nachnamen des Vaters in die Datenbank StA Bublitz ein, findet man Vater und Kinder mit der Kennung, z.B. 1903G91, aber nicht die Mutter. Vater, Mutter und Kind erhält man, wenn man allein die Kennung 1903G91 eingibt. Versuchen Sie es!

Irvingianer in Kirchenbuch Bublitz 1856 bis 1874
Irvingianer

Im Kirchenbuch findet man nebenstehenden Text, der übertragen lautet:

„Verzeichnis der von den hiesigen Irvingianern im Winkel getauften Knaben, eingetragen nach der Angabe ihres Vorstehers Döring[1] laut Verfügung der Königlichen Regierung vom 2. August 1865 I, Bd. 184/7.“


Tatsächlich enthalten etwa 35 separate Seiten fast 400 Einträge über Geburten und Todesfälle – Heiraten fehlen - ausschließlich über Mitglieder dieser Religionsgemeinschaft[2].

Nachdem der preußische König 1817 die reformierten und lutherischen Gemeinden zu einer „unierten“ Kirche in Preußen vereinigt hatte, gab immer wieder - besonders auch in Pommern - „geistliche Erweckungen“. 1851 schrieb Charles J. Boehm ein Buch über „Was sind die sogenannten Irvingianer für Leute?“[3]

1855 findet sich der erste Eintrag im Kirchenbuch der evangelischen Gemeinde auf einem gesonderten Blatt mit der Überschrift „Irvingiten“ und schließlich 1874 mit der Einführung der Standesämter der letzte. Solange mußte die evangelische Staatskirche die Führung der Personenstandsregister in Form der Kirchenbücher übernehmen.

Die Anzahl der Einträge pro Jahr variierte im Laufe der Zeit stark: 1856 waren es 11; dann stiegt die Zahl bis 1865 auf 49 an, um im nächsten Jahr 1866 auf 7 zu sinken. 1869 wurden wieder 19 erreicht. Im letzten Jahr 1874 waren es neun. Offensichtlich waren Mitglieder aus der Gemeinde ausgetreten. Beruflich gehörten die Mitglieder – 58 konnten namentlich ermittelt werden - weit überwiegend zu den Handwerksmeistern. Nach der Volkszählung vom 3. Dezember 1864 waren von den 3.767 Einwohnern im Stadtgebiet:

3.278 evang. Christen, 5 Katholiken, 199 Juden und 285 Dissidenten (Irvingianer)

Wie es zur Gründung der Bublitzer apostolischen Gemeinde kam, ließ sich aus dem Kirchenbuche nicht erschließen, aber im Archivum Panstowe W Szczecinie, dem Staatsarchiv Stettin, fand sich die „Acta des Königl. Ober-Präsidiums von Pommern“, betreffend die
Secte der s.g. apostolischen Gemeinde (Irvingianer)

vom März 1850 und darin die Hauptakteure des späteren Bublitzer Geschehens - und die kamen aus der Umgebung von Neustettin! Die Regierung in Stettin stimmte sich mit dem Preußischen Ministerium der geistlichen Angelegenheiten in Berlin darin ab, wie mit den Irvingianern umgegangen werden solle. Es betraf die Lehrer Kleist zu Thurow, Döring[4] zu Hütten und Koska zu Streitzig, wobei Kleist und Döring auch das Küsteramt ausübten, die von ihren Ämtern suspendiert wurden.

Alle drei tauchten später in Bublitz auf, wie aus dem Kirchenbuch zu entnehmen ist. Gründer der dortigen Gemeinde war offensichtlich Karl Ferdinand Döring, geboren 1816 in Soldnitz, Kr. Neustettin, verheiratet mit Hanna Henriette Kaun, die beide erstmalig im Februar 1852 mit der Geburt ihrer Tochter Emma Pauline im Bublitzer Kirchenbuch erscheinen, wobei der Vater als gewesener Lehrer bezeichnet wird. 1854 wird ihnen der Sohn Hermann Johannes geboren. 1856 folgt ein totgeborener Junge, der sowohl im normalen Kirchenbuch, als auch bei den Irvingianern eingetragen wurde. 1858 werden im März die Zwillinge Heinrich und Eduard geboren, die wenige Tage später sterben. Die Geburt der beiden ist nicht nur auf den Seiten der Irvingianer eingetragen, sondern als Nr. 9 und 10 im normalen Geburtsregister; dort werden aber keine Vornamen und Paten genannt. Die beiden nächsten Söhne – Paul Emanuel *20.03.1859 und Ernst Gotthold *24..04.1863 wurden nur noch bei den Irvingianern eingetragen.

Der Name Koska erscheint erstmalig 1859 in Kirchenbuch Bublitz und zwar bei den Irvingiten: der Lehrer Franz Ferdinand Julius Koska ist Pate bei der Familie Karl Döring zusammen mit dem Oberstleutnant a.D. aus Berlin Moritz von der Brinken. 1862 wird Koska und seiner Frau Johanne Mathilde Karoline Schultz ein Sohn geboren. 1868 heiratet seine Tochter den Schneidermeister Dittberner, aber nicht in der Gemeinde der Irvingianer. Am 18. Mai 1896 stirbt der apostolische Priester a.D. Julius Koska im Alter von 80 Jahren, und wir erfahren, daß er in Kölpin bei Bärwalde geboren wurde. Er war verheiratet mit Caroline Schulz und Sohn des Knechts Karl Koska und dessen Ehefrau Karoline geb. Schmidt; bei zu Heinrichsdorf beide Tempelburg verstorben.

Dritte – der Lehrer Johann Kleist – taucht in Bublitz nur ein einziges Mal auf: 1856 bei der Taufe des Sohnes des Irvingiten und Schlossermeister Manzke.

1865 wird als Apostolischer Priester der Geometer Karl Friedrich Döring genannt, geboren am 14. August 1842 in Hütten, ein Sohn des Karl Ferdinand Döring, der aber schon im Alter von 24 Jahren am 22. Oktober 1866 in Bublitz an Typhus starb. Dieser muß ein begnadeter Redner gewesen sein, denn zu seiner Zeit stieg die Mitgliederzahl der Gemeinde steil an. Sein Tod war vielleicht die Ursache für einen Mitgliederschwund im gleichen Jahr.

Nachtrag 1815
Im Kirchenbuch von 1868 findet sich auch folgender „Nachtrag“ aus dem Jahre 1915:

"Der apostolische Priester Karl Friedrich Doehring, geboren den 14. August 1842 in Hütten, verstorben am zweiundzwanzigsten (22.) Oktober eintausendachthundert und achtundsechzig (1868) in Bublitz . Diese Beurkundigung ist mit Genehmigung der Königlichen Regierung in Koeslin vom 8. September 1915 erfolgt.

Bublitz, den 17. September 1945.
Springborn, Pfarrer und Superintendent."

Was den Herrn Superintendent fast 50 Jahre später zu diesem Eintrag veranlaßt hat, läßt sich nur vermuten.

Doering 1897
Glaubt man nebenstehend abgebildetem Zettel, der im Kirchenbuch eigentlich nichts zu suchen hat, so existierte die apostolische Gemeinde noch 1897. Der Vorsteher hieß C. Döring, was eigentlich nur der ehemalige Lehrer und Vater des Karl Friedrich gewesen sein kann, der dieses Amt auch nach dem Tode seines Sohn innehatte und 1900 starb.

Übrigen kann man Irvingianer auch in der Kirchenbuch-Datenbank von Bublitz suchen: Man muß unter Kennung nur auf das "i" achten, also z.B. %mi% eingaben!


[1] Wikipedia: “Edward Irving, *4. August 1792 in Annan, Dumfriesshire; †8. Dezember 1834 in Edinburgh, war einer der Wegbereiter der katholisch-apostolischen Gemeinden“.
[2] Verlegt von C.G. Brandis in Berlin
[3] Alle möglichen Namensvarianten – wie Döhring, Doering oder Doehring – kommen vor. Hier wird im folgenden allein die moderne Form Döring benutzt.
[4] Auch in dieser Akte möglichen Namensvarianten!

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