Inhaltsverzeichnis Kämpfe um Hölkewiese Gefallene Flucht und Rückkehr Bis zur Vertreibung Zurück n. Berlin

Das Unheil naht
Der zweite Weltkrieg

Nach der Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht 1935 und der Umbenennung der Reichswehr in Wehrmacht mußten die jungen Männer aus dem Dorf zu den „Preußen“. Nicht wenige wurden auch Berufssoldaten, weil sie vom Lande weg wollten und sich eine bessere Zukunft erhofften. Und obwohl 1934 von Hitler ein Nichtangriffspakt mit Polen geschlossen worden war, begann man mit dem Bau der Pommern-Stellung zwischen Hölkewiese und Groß Karzenburg - fürchtete man damals einen Angriff? Mit dem Anschluß Österreichs und dem Einmarsch ins Sudetenland wurde es ernst. Hölkewiese war von der polnischen Grenze gerade 20 km Luftlinie entfernt, aber im Dorf war nichts zu merken.

Im Polenfeldzug fiel kein Sohn des Dorfes; nur zwei Verwundete gab es. Nach dem schnellen Sieg 1940 über Frankreich herrschte überall Hochstimmung. Was man in vier Jahren und mit Millionen Toten nicht geschafft hatte, war in nur sechs Wochen erledigt worden! Im Mai 1941 folgte der Blitzkrieg auf dem Balkan. Im Juni ging es dann gegen die Sowjetunion, aber das war ein anderer Krieg, wie man bald merkte. Es gab die ersten Gefallenen. Anfang 1943 kapitulierte die deutsche 6. Armee in Stalingrad; mindesten zwei Männer aus Hölkewiese gehörten dazu und kamen nicht wieder zurück. Die weitaus meisten Vermißten und Gefallenen aber forderten die letzten beiden Kriegsjahre.

Als die großen deutschen Städte immer häufiger bombardiert wurden, evakuierte man Frauen und Kinder aufs Land, auch nach Hölkewiese, wo sich noch kein feindliches Flugzeug gezeigt hatte. Schon vorher, nach der deutschen Besetzung Jugoslawiens im April 1941 hatte man serbische Kriegsgefangene für die eingezogenen Männer ins Dorf geschickt. Später kamen noch polnische und ukrainische Zwangsarbeiter.

Im Sommer 1944 wurde der Pommernwall mit großem Aufwand reaktiviert, obwohl nicht lange vorher alle schweren Waffen ausgebaut und zum Atlantikwall geschafft worden waren. Zum Buddeln der Schützengräben und eines durchgehenden Panzergrabens wurden von der Partei große Menschenmengen dienstverpflichtet. Diese - Frauen, ältere Männer und Jugendliche beiderlei Geschlechts - brachte man in Zeltlagern, Scheunen, auf Heuböden, in Schulräumen und ähnlichem in der Nähe der Baustellen unter. Im Dorf selbst, gerade drei Kilometer entfernt, war alles mit polnischen Zwangsverpflichteten belegt. Im Krug war die Kantine der Organisation Todt eingerichtet worden, die in Baldenburg ihren Hauptsitz hatte. Jugendliche aus dem Dorf arbeiteten als Küchenhilfen. Mit dem Einbruch des Winters sollten alle Arbeiten fertig sein. Die meisten Arbeiter rückten auch ab, aber gebaut wurde bis zum Schluß.

Die Front rückt näher

Ende 1944 verlief die Front noch fern von Hölkewiese an der Weichsel. Am 12. Januar 1945 begann die sowjetische Offensive, und schon am 31. Januar stand der Feind an der Oder. Der benachbarte Kreis Schlochau und damit auch Baldenburg erhielten am 29. Januar 1945 den Räumungsbefehl. Bei 20 Grad Kälte und völlig vereisten Straßen kamen nur wenige Baldenburger über Bublitz hinaus. Dann aber stabilisierte sich die Front längs der Linie Ratzebuhr, Landeck, Preußisch Friedland, Konitz; die meisten kehrten wieder in ihre Stadt zurück.

In Hölkewiese blieb alles ruhig. Nur das Grummeln der Kanonen von der Front rund 50 Kilometer südlich war zu hören. Dann aber, "am 24.2.1945 um 8 Uhr, begann mit trommelfeuerartigem Artillerie- und Stalinorgelfeuer und Bombenabwurf der Angriff der Russen", schreibt Lindenblatt[1]. Der Vorstoß zielte auf die Ostsee, Pommern sollte geteilt, Ostpreußen abgeschnitten werden. Im Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht[2] unter "Heeresgruppe Weichsel" sind die Ereignisse im Zeitraffer dargestellt:

25.2.45: Im Raum von Schlochau griff der Feind mit 5 Div.en an und errang Gelände. Westlich Konitz erzielte er eine Einbeulung.

26.2.45: Zwischen Neustettin und Konitz Durchstoß des Feindes auf schmalem Raum.

27.2.45: ... Bei Schlochau gelang dem Feind (anscheinend 1 Garde-Pz- und 1 Garde-(mech.) Korps) der Durchbruch bis Pollnow. Die Gruppe Ax wich in die Pommern-Stellung aus. Heran kommt von Westen die Pz.-Div. "Holstein". Nach Rummelsburg wurde das Gen.Kdo. VII. Pz.-Korps verlegt, das durch das XXXXVI. Pz.-Korps ersetzt wird. Dem Gegner ist hier eine Überraschung gelungen, und nachdem er nun durch die Seenenge gestoßen ist, wird für ihn das Gelände günstiger. Er versuchte gleichzeitig, die Pfeiler rechts und links vom Durchbruch einzustoßen.

28.2.45: Durchbruchraum in Mittel-Hinterpommern: Der Feind nahm Neustettin; Bublitz und Rummelsburg werden noch gehalten. Wo die feindliche Spitze steht, ist unklar. Jedenfalls nicht mehr weit von der Küste.

1.3.45: Im Raum von Rummelsburg konnte er seinen Angriffsraum erweitern. Die 7. Pz.-Div. mußte den Angriff abbrechen. Die 4. SS-Pol.-Pz.-Gren.-Div. kam von Nordosten heran. Die Div. „Holstein“ ist eingetroffen. Nach Meldung des Gauleiters feindliche Panzer bereits vor Köslin.

2.3.45: Um ihm bei Rummelsburg entgegenzutreten, sind Gegenmaßnahmen angelaufen. Es fragt sich, ob es hier noch gelingt, den hier erzielten Überraschungserfolg wieder auszubügeln. ... Die 4. SS-Pol.-Pz.-Gren.-Div. kam in Richtung Baldenburg nach Südosten voran. .. Die 7. Pz.-Div. stieß wiederum auf starken Widerstand.

3.3.45: Rummelsburg ging gegen fünffach überlegenen Feindangriff verloren.

Unser kleines Dorf Hölkewiese lag zwischen Rummelsburg und Bublitz genau in der sowjetischen Stoßrichtung und wurde für fast eine Woche zum Schlachtfeld! Wer hätte sich das je vorstellen können!

Die Russen in Hölkewiese

Murawski[3] schreibt, Marschall Rokossowski hätte vorzeitig am 25. Februar, nachdem die aus Finnland herangebrachte 19. Armee unter Generalleutnant Koslow nur langsam vorankam, dem 3. Garde Panzer Korps den Auftrag gegeben, die deutschen Linien zu durchstoßen: "Seine Panzer mit aufgesessenen MPi-Schützen erreichten schon um 14 Uhr die Linie Elsenau - Gut Bärenhütte. Die Reste der SS Divisionen 'Lettland' und 'Charlemagne' fluteten panikartig durch die Pommernstellung."

Gegen 17 Uhr standen die Russen am Baldenburger Bahnhof und drangen in der Nacht in die Stadt ein. Die schwachen deutschen Truppen konnten die Panzer nur kurze Zeit abwehren. Am Morgen des 26. Februars war Baldenburg gefallen; die Panzersperren an der Neustettiner und der Bublitzer Straße wurden weggeräumt. Damit war der Pommernwall durchbrochen und der Vormarsch konnte weiter gehen: Um 8 Uhr 30 waren die Panzer in Groß Karzenburg, um 11 Uhr 45 vor Drawehn, kurz nach 12 Uhr in Sydow, aber erst um 12 Uhr 30 in Porst. Um 16 Uhr standen sie vor Pollnow.

Um nach Hölkewiese zu gelangen, das auf der Ostseite des Pommernwalls lag, mußten keine Panzersperren beseitigt werden; die Russen fuhren einfach vom Baldenburger Bahnhof über die Querchaussee an der Stadt vorbei. Für die 7 km brauchten sie auf der erst 1929 fertiggestellten Chaussee nur wenige Minuten. Gegen 9 Uhr rasselten die ersten beiden T34 die Dorfstraße hinauf. An eine Verteidigung war nicht zu denken. Das deutsche Militär, das zwei Wochen vorher am unteren Dorfeingang die großen Straßenbäume angesägt und mit Sprengladungen präpariert hatte, war längst wieder abgezogen worden. Nur noch zwei ältere Soldaten sollten den Volkssturm dirigieren. Nur einer konnte sich retten, der andere wurde auf der Flucht tödlich getroffen. Die ersten Panzer sind ohne anzuhalten in Richtung Rummelsburg durch das Dorf gefahren, aber vermutlich nur bis Buchtal, wo sie wendeten und zur ihrer Haupttruppe zurückfuhren.

Wenige Minuten nach den ersten kamen weitere Panzer und Fahrzeuge, die anhielten und deren Insassen ein, zwei Stunden ihr Unwesen trieben. Der Besitzer des Restgutes, Emil Bethge, wurde erschossen. Dann verschwanden alle wieder in Richtung Groß Karzenburg, der Spuk schien vorbei, eine gespenstische Ruhe kehrte ein. Nur in der Ferne war Maschinengewehrfeuer und das Grollen der Kanonen zu hören.

Wie man später sehen konnte, war die Panzersperre des Pommerwalls 1 km vor Groß Karzenburg nicht geschlossen worden. Die Russen näherten sich ihr vorsichtig und beschossen sie. In Groß Karzenburg vereinigte sich die Kolonne mit dem von Baldenburg kommenden Haupttrupp. Augenzeugen wollen dort 200 Panzer gezählt haben. [4]

Erst am nächsten Tag[5], dem 27. Februar, kam russische Infanterie in das von den meisten Bewohnern verlassene Hölkewiese und untersuchte am Nachmittag die ersten Gehöfte des nördlichen Abbaus. Auf dem Bromberg wurde ein Beobachtungsposten eingerichtet. Abends wurde dort mit den "befreiten" ukrainischen Fremdarbeitern heftig gefeiert. Am nächsten Tag versorgten sich die Russen mit Eßbarem und verschwanden dann - bis auf die Beobachter auf dem Bromberg.


[1] Zitiert nach H. Lindenblatt, "Pommern 1945", Rautenberg, Leer, S. 183 "Russischer Durchbruch bei Schlochau"
[2] Percy Ernst Schramm, Hrsg.: "Die Niederlage 1945" - Aus dem Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht, dtv, München 1962
[3] Erich Murawski: "Die Eroberung Pommerns durch die Rote Armee", Boldt, Boppard am Rhein 1969, S. 183.
[4]Der Vorstoß der russischen Panzer begann in Baldenburg nach Beseitigung der Panzersperre am 26.02.1945 um 8:00 Uhr. Die Hauptmasse bewegte sich auf Nebenstraßen nach Norden über Groß Karzenburg (8:30 Uhr), an Drawehn vorbei, dann auf der Fernverkehrstraße durch Sydow (12:00) und stoppte kurz vor Pollnow gegen 16:00. Bublitz wurde erst am späten Abend eingenommen.
[5]Nach Murawski ließ die sowjetische 19. Armee ihre Verbände im Schutze des 3. Gde. Pz. Korps bereits in Kolonnen vormarschieren, hing aber bis zu 40 km zurück. Eine einheitliche Führung hätte nicht mehr bestanden, da der Armeebefehlshaber und sein Stab die Verbindung mit den Truppen verloren hatten. In dieser kritischen Lage ersetzte Marschall Rokossowski, der Befehlshaber der 2. Weißrussischen Front, am 26. Februar Generalleutnant Koslow durch Generalleutnant Romanowski und hielt vorsichtshalber das 3. Gde. Pz. Korps im Raum Drawehn-Bublitz an.

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